Julian Assange: vorläufiger Aufschub seiner Auslieferung an die USA

Der britische High Court in London hat die Auslieferung von Julian Assange vorläufig ausgesetzt bis die Vereinigten Staaten dem Gericht zusichern, daß er in den USA einen fairen Prozess erhält ohne daß ihm die Todesstrafe droht.

Nochmals: Das Gericht bittet regelrecht die USA um Zusicherungen, daß Assange sich auf den 1. US-Verfassungszusatz berufen darf. Es sagt, daß Assange im Prozess nicht aufgrund seiner Staatsangehörigkeit diskriminiert werden darf und daß ihm in US-Haft nicht die Todesstrafe droht. Der Londoner High Court entschied außerdem, daß Assange möglicherweise weitere Rechtsmittel einlegen kann, um die Auslieferung zu blockieren, was jedoch davon abhängt, wie die USA auf den Antrag des Gerichts reagiert. Sollten diese Zusicherungen nicht eingehalten werden, wird Assange das Recht auf eine vollständige Berufungsverhandlung gewährt. In einer Rede vor dem Gericht forderte Stella Assange am Dienstag die Regierung Biden auf, „dieses beschämende Verfahren“ gegen ihren Mann einzustellen. „Julian hätte nie auch nur einen einzigen Tag inhaftiert werden dürfen“, sagte sie. „Der Druck muss jetzt auf die Regierung Biden ausgeübt werden“, sagt Jeremy Corbyn, Parlamentsabgeordneter, der die britische Labour-Partei von 2015 bis 2020 führte und der gefordert hat, alle Anklagen gegen Assange fallen zu lassen. „Wenn Julian dafür untergeht, wird jeder ernsthafte Journalist auf der ganzen Welt etwas vorsichtiger sein, wenn es darum geht, Kriegsverbrechen und die Gier von Unternehmen aufzudecken.“



Julian Assange wird seit fast fünf Jahren im Londoner Belmarsh-Gefängnis festgehalten und wartet auf seine mögliche Auslieferung an die USA, wo ihm wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente, die US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan aufdecken, bis zu 175 Jahre Haft drohen.

In Bezug auf den ersten US-Verfassungszusatz und Artikel 10, der das Recht auf freie Meinungsäußerung betrifft über den Punkt der Staatsangehörigkeit, also die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten Julian diskriminiert in dem es sagt, daß er aufgrund seiner australischen Staatsangehörigkeit nicht durch den ersten US-Verfassungszusatz geschützt ist, hin zu dem Punkt in Bezug auf die Todesstrafe, da die USA in der Lage ist, die Anklage unter ihrer Jurisdiktion so zu ändern, daß die Todesstrafe verhängt wird, sobald Julian in US-Haft kommt. Dies sind die drei Punkte, die in der Sache um die Auslieferung von Julian Assange der USA Ungelegenheit bereitet. Natürlich hätte der Fall abgewiesen werden müssen und Julian hätte nicht im Gefängnis sitzen dürfen. Dennoch erhob die USA Anklage wegen der Verfolgung eines Journalisten aufgrund seiner politischen Ansichten. Er drückt seine politische Meinung durch seine publizistische Arbeit aus. Das britische Gericht hätte diesen Fall abweisen sollen, anstatt die US-Regierung um eine politische Intervention zu bitten. Julian’s Fall hätte abgewiesen werden sollen, weil dieser Fall den Journalismus kriminalisiert und das ist die eigentliche Erkenntnis in Anbetracht der heutigen Entscheidung durch den British High Court. Sie sind heute zum Kern der Sache vorgedrungen, in dem es um Artikel 10 – den ersten Zusatzartikel um die Meinungsfreiheit geht. Das britische Gericht verstrickt sich wirklich in Widersprüche und gibt den Vereinigten Staaten eine weitere Gelegenheit, politisch und nicht juristisch zu intervenieren, denn der Fall, den sie seit 5 bzw. 13 Jahren vorbringen ist ein Angriff auf die Freiheit die Wahrheit zu veröffentlichen.
Das Gericht verlangt eine Zusicherung, die eigentlich im Widerspruch zu der Klage der USA steht. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, daß es sich bei der diplomatischen Zusicherung um eine politische Zusicherung handelt wie wir bereits in der Vergangenheit gesehen haben. Die Zusicherungen der USA sind das Papier nicht wert auf dem es geschrieben ist. Die Vereinigten Staaten ist natürlich ein Land, das die Ermordung und Entführung von Julian, einem Journalisten, geplant hat, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die USA hat unter CIA-Direktor Mike Pompeo auf höchster Ebene der Administration im Weißen Haus Pläne zur Ermordung und Entführung von Julian diskutiert. Der vorliegende Fall ist das Ergebnis dieser Gespräche. Die USA und die CIA heckten Pläne aus. Mike Pompeo wies seine Mitarbeiter in Langley an Pläne auszuarbeiten, wie Julian zu töten sei. Und erst danach kam die Anklage Julian Assange durch das US-Justizministerium. Dies alles geschah unter der Trump-Administration und das, wie wir alle wissen, bezieht sich auf Wikileaks-Veröffentlichungen von 2010 bis 2011 unter der Obama-Administration. Die Obama-Administration sah sich diesen Fall an und sagte: „Wir werden kein Verfahren gegen Julian Assange in Bezug auf die Veröffentlichungen von Chelsea Manning einleiten, weil er ein Verleger ist und kein Hacker und es ist unmöglich, das, was Wikileaks mit der Veröffentlichung dieses Materials getan hat, von dem zu unterscheiden, was die New York Times in Bezug auf dieses Material getan hat und von dem, was die New York Times jeden Tag tut.“. Wir wissen sehr wohl, daß Informationen über die nationale Sicherheit täglich in jedem großen Blatt, in jedem Land oder in jedem Land, in dem es eine freie Presse gibt, veröffentlicht werden. Jeden einzelnen Tag. Dieser Fall ist also ein beispielloser Fall, in dem das Spionagegesetz umfunktioniert wird, um das zu kriminalisieren, was die New York Times jeden Tag tut und es immer noch tut. Das Problem der New York Times, wie Obama es nennt, besteht nach wie vor und der Fall von Julian ist eine Akzeptanz und eine Umkehrung des Problems der New York Times. Sie haben es in eine Lösung für die New York Times verwandelt, sprich in eine Möglichkeit die New York Times wegen der Veröffentlichung der Wahrheit strafrechtlich zu verfolgen. Das ist es, was Julian’s Anklage tatsächlich bedeutet und das ist es, was die USA anstrebt. Die USA sollte keine Zusicherungen abgeben. Sie sollten die Anklage gegen Julian Assange einfach fallen lassen, denn dieser Fall ist, wie die Obama-Regierung richtig erkannt hat, ein Angriff auf uns alle. Es ist ein Angriff auf die Presse, auf die Gewissensfreiheit und auf das Recht der Öffentlichkeit auf Wahrheit. Wir alle wissen, daß in dieser entscheidenden Phase, in der wir uns mit den Konflikten im Nahen Osten und in der Ukraine befinden, die Presse die Möglichkeit haben muß, die Wahrheit über die Vorgänge in Konflikten und Kriegen zu veröffentlichen. Und diejenigen, die am Krieg beteiligt sind, sollten nicht die Macht haben, Journalisten, die Kriegsverbrechen aufdecken, zum Schweigen zu bringen und zu inhaftieren.

Was besonders beunruhigend am heutigen Gerichtsurteil ist, ist die Tatsache, daß Julian Assange vor dem Berufungsgericht keine Beweise für das Komplott zu seiner Entführung oder Ermordung vorlegen darf. Das ist absurd. Es gibt nicht genug Beweise, hieße es aus Seiten des Gerichts. Dieses Komplott ist gründlich durch eine investigative journalistische Arbeit von YahooNews untersucht worden, die sich auf mehr als 30 Quellen stützt. Es wurde nicht geleugnet, denn ganz im Gegenteil, wurde es im Wesentlichen von Mike Pompeo, dem damaligen CIA-Direktor bestätigt während diese Pläne ausgearbeitet wurden. Mike Pompeo erklärte, daß diejenigen, die diese Enthüllungen öffentlich gemacht haben gejagt und für das Durchsickern dieser Informationen angeklagt werden sollten. Man kann doch nicht jemanden verfolgen, weil er Informationen weitergibt, die nicht der Wahrheit entsprechen, oder? Das ist völlig absurd, aber Julian Assange darf das nicht als Argument für seine Verteidigung gegen seine Auslieferung in einem Gerichtssaal vorbringen. Es ist auch absurd, daß Julian Assange vor Gericht nicht argumentieren darf, daß seine Auslieferung gegen das britisch-amerikanische Auslieferungsabkommen verstoßen würde, das die Auslieferung wegen politischer Vergehen ausdrücklich verbietet. Die Richter am britischen High Court sagen sogar, daß dieses Abkommen keine Bedeutung hat. So steht es schwarz auf weiß. Das sollte für jeden von Belang sein. Die vertragliche Verpflichtung ist null und nichtig. Durch die heutige Entscheidung des britischen High Court bietet sich abermals Gelegenheit für die USA noch einmal mit den so genannten Zusicherungen nachzubessern. Eine politische Intervention ist eine Farce. Aufgrund der gebotenen Gelegenheit für die USA nunmehr zu versichern, daß Julian Assange als Journalist mit dem Schutz des ersten Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten von Amerika wie ein US-Journalist behandelt und nicht als australischer Staatsbürger diskriminiert wird, tut sich ein riesiges Loch in die gesamte Argumentation der USA auf, die Jahr für Jahr sagen, daß Julian Assange kein Journalist ist und daher auch keinen Schutz nach dem ersten Verfassungszusatz des Landes genießt. Was bleibt also übrig?Die Richter am britischen High Court in London sagen im Grunde genommen: „Gebt uns die Zusicherung, daß Assange wie ein Journalist behandelt wird.“. Dabei stützte sich der gesamte Fall die ganze Zeit – über viele Jahre hinweg -auf das Argument, daß er kein Journalist sei. Zumindest wurde heute de facto der journalistische Aspekt von Julians Arbeit anerkannt, den jeder versteht und kennt. Dies ist also nur eine Fortsetzung und es hätte nicht passieren dürfen. Die Argumente der Richter der Berufung stattzugeben sind im Wesentlichen in ihrem eigenen Schriftsatz zu finden. Die Argumente waren alle vorhanden. Warum dann diese Scharade? Warum also diesen Rechtsstreit gegen Julian fortsetzen und weiterverfolgen? In zwei Wochen werden es fünf Jahre, die Julian Assange im Belmarsh-Hochsicherheitsgefängnis verbracht hat. Fünf Jahre und wir sind immer noch nicht zu einem Ergebnis in diesem Fall gekommen. Es ist die US-Regierung, die sich diesen Fall zu eigen gemacht hat. Wir müßen Druck ausüben und die US-Regierung auffordern den Fall um Julian Assange fallen zu lassen, denn nach dem heutigen Urteil der Richter bleibt nichts übrig, was strafrechtlich weiter verfolgt werden kann.

Julian Assange: vorläufiger Aufschub seiner Auslieferung an die USA
Bild: cpj.org

Die heutige Entscheidung des Gerichts zeigt, wie mangelhaft das Auslieferungsersuchen der US-Regierung ist. Wir befinden uns seit fünf Jahren in diesem Prozess. Fünf Jahre, in denen Julian Assange in Großbritannien ohne Verurteilung in Untersuchungshaft sitzt und das im Zusammenhang mit einem Auslieferungsantrag, der niemals hätte gestellt werden dürfen. Die heutige Entscheidung des Gerichts wirft grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Meinungsfreiheit aus dem ersten US-Verfassungszusatz und des Risikos auf, daß ein Journalist und Verleger der Todesstrafe ausgesetzt werden könnte, wenn die USA fünf Jahre nach dem Auslieferungsantrag aufgefordert werden, diese diplomatischen Zusicherungen zu geben, um die unserer Meinung nach fatalen Mängel im US-Fall zu beheben. Das zeigt, wie problematisch dieses Ersuchen ist. Das heutige Urteil zeigt, daß im Falle einer Auslieferung von Julian an die USA ein sehr reales Risiko besteht, daß ihm der Schutz der Meinungsfreiheit nicht gewährt wird. Dies ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Es bedeutet, daß jeder Journalist und Verleger, der sich außerhalb der USA befindet und wahrheitsgemäße Informationen über die USA veröffentlicht, aber kein US-Staatsbürger ist, nicht in den Genuss des ersten Verfassungszusatzes dieses Landes kommt und das sollte für jeden einzelnen Journalisten weltweit Anlass zur Sorge sein. Assange’s Anwaltsteam ist natürlich auch besorgt, daß Julian aufgrund der in der US-Anklageschrift angeführten Fakten die Todesstrafe drohen könnte. Es ist absurd, daß dieser Fall bereits fünf Jahre zurückliegt und die USA keine Zusicherung gegeben hat, um ihn vor diesem Risiko zu schützen. Die Entscheidung des Richters ist natürlich, daß sein Anwaltsteam die Erlaubnis haben aus drei Gründen in Berufung zu gehen, und zwar wegen der Tatsache, daß er sich nicht auf den ersten Verfassungszusatz berufen kann, zweitens wegen des Risikos, daß er der Todesstrafe ausgesetzt wird und drittens wegen des Risikos, daß er diskriminiert wird, weil er Australier ist. Das Gericht hat zufriedenstellende Zusicherungen gefordert, um ihn davor zu schützen. Sein Anwaltsteam gibt zur Protokoll, daß es keine zufriedenstellenden Zusicherungen gibt. Amnesty International gibt bekannt, daß die diplomatischen Zusicherungen der USA das Papier nicht wert sind auf dem sie geschrieben sind. In einem so schwerwiegenden Fall wie diesem, in dem es um die Todesstrafe und den Schutz der Meinungsfreiheit für alle Journalisten geht, ist dies eindeutig unzureichend. Dies ist ein Fall, der niemals hätte angestrengt werden dürfen. Er wurde von der Trump-Regierung angestrengt, die die Presse als Feind des Volkes bezeichnet. Es ist eine Anklage, von der die New York Times und die Washington Post sagten sie „kriminalisiere den Journalismus im öffentlichen Interesse“. Wir haben im Falle von Julian Assange, einen australischen, preisgekrönten Journalisten und Verleger, der wegen dieses Auslieferungsantrags fünf Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis gesessen hat und aktuell noch sitzt. Die Verteidigung Assanges hat angegeben, daß die US-Regierung als Reaktion auf dieses Urteil keine Zusicherung geben sollte, vielmehr sollte die USA die Anklage gegen Assange fallen lassen, denn es ist eine Anklage, der gar nicht erst hätte angestrengt werden dürfen.

Die Kampagne von Reporter ohne Grenzen, international bekannt als Reporters sans frontières setzt sich weltweit mit höchster Priorität für die Freilassung von Julian Assange ein, weil sein Fall Auswirkungen auf den weltweiten Journalismus und die freie Meinungsäußerung hat. Es hat die gesamten vier Jahre des langwierigen und verworrenen Verfahrens um die Auslieferung Julian Assange vor Gericht verfolgt.Was heute herausgekommen ist, ist ebenfalls verworren. Reporter ohne Grenzen wollen jedoch noch ein wenig Hoffnung bewahren. Es gibt einen Funken Hoffnung, daß vor den britischen Gerichten noch irgendeine Form von Gerechtigkeit möglich sein könnte. Sie sind bestürzt, daß es so weit gekommen ist, aber es gibt noch eine Chance für Großbritannien im Interesse des Journalismus und der Pressefreiheit zu handeln und die Auslieferung von Julian Assange an die USA zu verhindern. Auch ist die Kampagne von Reporter ohne Grenzen besorgt über das wiederholte Vertrauen auf diplomatische Zusicherungen während des gesamten Verfahrens, was den politischen Charakter dieses Falles noch einmal unterstreicht und nicht auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen entschieden werden sollte, selbst wenn diese Zusicherungen in der Praxis eingehalten werden. Auch hier gibt es keine Garantie, daß dies der Fall sein wird. Sie haben ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Anschuldigungen gegen Julian Assange, die nichts mit diesen diplomatischen Zusicherungen zu tun haben, da das Spionagegesetz selbst keinen Schutz in Bezug auf das öffentliche Interesse bietet. Selbst wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, glaubt Reporters sans frontières nicht, daß Julian Assange oder irgendjemand, der auf diese Weise angeklagt wird, einen fairen Prozess bekommen könnte. Julian Assange kann sich nicht darauf berufen, daß seine Handlungen im öffentlichen Interesse liegen. Reporter ohne Grenzen sind der Meinung, daß die Veröffentlichung dieser durchgesickerten Dokumente im öffentlichen Interesse lag. Diese Dokumente enthüllen Informationen, auf die wir ein Recht haben sie zu kennen. Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen sind nie verfolgt worden. Dies hat die Berichterstattung im öffentlichen Interesse auf der ganzen Welt beeinflusst und es ist von entscheidender Bedeutung für die journalistische Praxis auf diese Weise zu arbeiten. Was mit Julian Assange geschieht, hat also nicht nur Auswirkungen auf ihn, sondern auch auf Journalisten und medienschaffende Organisationen weltweit. Reporter ohne Grenzen ruft erneut dazu auf, unabhängig davon, ob die Angelegenheit vor den britischen Gerichten weitergeht oder nicht, da es in der Macht der US-Regierung liegt, diese Angelegenheit jetzt zu Ende zu bringen. Reporter ohne Grenzen fordern die Biden-Administration erneut auf, die 13-jährige politische wie strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange zu beenden und zu diesem Zeitpunkt, wenn auch spät noch unbedingt zu handeln, um den Journalismus und die Pressefreiheit hierzulande und weltweit zu schützen. Reporter ohne Grenzen rufen erneut dazu auf, Assange freizulassen.

Bild: Matt Dunham/AP/picture Alliance
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