Meine Stimme für den Wald

Wir wohnen am schönen Schönbuch. Laut Wikipedia wurde sein Kerngebiet im Jahr 1972 zum ersten Naturpark in Baden-Württemberg erklärt. Weiter heisst es, ein Naturpark sei ein geschützter, durch langfristiges Einwirken, Nutzen und Bewirtschaften entstandener Landschaftsraum. Eine wertvolle Kulturlandschaft, die sowohl naturschutzfachlich bewahrt als auch touristisch vermarktet werden solle.

Also was kann es Schöneres geben, als genau dort einen Sonntagsspaziergang zu machen? Raus in die Natur, Erholung im Wald, Waldbaden, Kraft tanken. Schon lange wissen die Städter die Erholung in den Wäldern zu schätzen und fliehen hier vor Gestank und Hektik der Stadt, im Sommer ist es im Wald schön kühl. Es ist jetzt Mitte April und wieder grün im Wald, ein schönes saftiges grün. Die Vögel zwitschern, bei Glück scheint wärmende Sonne durch die Baumkronen oder das Kronendach, die Bäume und Äste schwingen anmutig im Wind. Eine Symbiose zwischen Mensch und Natur, wir müssen uns nur die Zeit nehmen das zu erfahren und zulassen. Fernsehen in der freien Natur, viel zu entdecken.

Fernsehen zuhause. Die freie Youtube ZDF-Dokumentation von „Terra X: Unsere Wälder 1/3: Die Sprache der Bäume“ gibt den aktuellen Stand der Wissenschaft wie folgt wieder: Bäume sind soziale Wesen, sie gehen Beziehungen ein. Der Wald ist ein ausgeklügeltes System der Vernetzung. Die Baumkronen schützen das Waldklima, Pilze sind unterirdisch vernetzt, Moos reagiert auf Schadstoffe, die Winzlinge in der Erde agieren als Müllabfuhr – alles harmonisiert miteinander. Ja Bäume sprechen sogar miteinander, auch das ist wissenschaftlich erwiesen. Herr der Ringe: ich erinnere mich, die Baumriesen sprachen miteinander, haben die Nachricht der Abholzung verbreitet und den zwei Hobbits Pippin und Merry geholfen. Ganz ausgedacht ist das also wohl nicht?

Der Schönbuch ist besonders. Ein Blick in die Baumkronen lohnt sich um die wunderschönen anmutig gerade gewachsenen deutschen Eichen und Buchen zu bewundern und ebenso wie immergrünen Kieferkronen zu bestaunen. Das gibt es nicht überall.

Trotz des guten Wetters bleibt von meinem letzten Waldbaden ein mindestens sehr nachdenklicher, wenn nicht trauriger Eindruck zurück. Ich kann kein Verständnis finden für das, was unserem Schönbuch veranstaltet wird. Massenweise werden große, alte Buchen und Eichen gefällt. Die gefällten Stämme sehen kerngesund aus und sind gewiss für den Verkauf ins Ausland bestimmt. Äste werden zwar ordentlich aber lieblos am Wegrand aufgetürmt, Und die Fällarbeiten hinterlassen massenweise zerstörten und verwüsteten Waldboden. Soll das touristische Vermarktung sein?

Das tut mir im Herzen weh. Warum sieht das keiner? Warum sind die Menschen so gleichgültig? Wo sind die Umweltschützer, weshalb klebt sich niemand fest?

Wie alt wurden diese Bäume wohl? Was haben sie schon alles erlebt? Bestimmt Kennedys berühmten Spruch: ich bin ein Berliner, Wiedervereinigung garantiert, bestimmt viele, viele schöne Momente. Sie sind ein Stück lebende Geschichte, lebende Zeitzeugen. Was bilden wir uns ein, diese Bäume zu fällen? Wer gibt den Verantwortlichen das Recht dazu? Sich auf Bewirtschaftung, Gesetze und Verordnungen zu berufen ist da wirklich zu einfach. Lebensfreundlich für Mensch und Natur wäre, den Wald zu erhalten, denn das bedeutet an die Zukunft zu denken. Lebensfeindliches Handeln hingegen ist, massenweise Lebensraum zu zerstören. Es ist mir unverständlich wie man sich legitimiert fühlen kann, solchen unumkehrbaren Schaden anzurichten. Wäre das mein Job, ich könnte gar nicht mehr ruhig schlafen.

Wissenschaftlich erwiesen ist, im Wald sinken Stresshormone, stimmungsaufhellende Hormone vermehren sich, das Immunsystem wird angeregt. In Japan ist Waldbaden sogar Therapie. Der Wald ist wichtiger Sauerstofflieferant, Bäume wandeln CO2 in Sauerstoff um (Quelle: dieselbe Youtube Dokumentation). Was könnte besser zur CO2-Neutralität beitragen als die großen, alten Bäume stehen zu lassen? Was könnte wirkungsvoller dem Klimawandel entgegengesetzt werden als viele, große, alte, gesunde Bäume?

Ein gesunder Lebensraum Wald ist für große und kleine Tiere und Insekten wichtig, ein Leben in Symbiose. Im Naturpark Schönbuch kann man das sogar auf Informationstafeln studieren. Aber es werden gesunde, verkaufswürdige Bäume gefällt, Waldboden wird zerstört, Lebewesen mindestens gestört. Auch in gesunden Bäumen leben Tiere. Morsche Bäume hingegen werden für Tiere stehen gelassen. Wer wundert sich da noch, wenn nur noch kaputter Wald übrigbleibt? Das ist dann nicht dem Klimawandel zuzuschreiben, sondern dem tollwütigen Fällungswahn, der mutwilligen Zerstörung von Lebensraum. Soll Mensch und Natur absichtlich geschädigt werden?

Immer wieder bin stehen geblieben und habe die gefällten Bäume gewürdigt, mich entschuldigt und verabschiedet. Ich schreibe diesen Artikel aus Betroffenheit und um mitzuteilen, die Täuschung wird nicht funktionieren. Jeder der hinsieht, kann es sehen. Es bleibt nicht unbemerkt. Ich erhebe meine Stimme.

Bilder: Autor
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