Freie Schule – Für eine freie, geistige Entwicklung

Der Begriff „hölzernes Bildungswesen“ ist gemeinhin bekannt. Es ist ein alter Begriff und schon seit vielen Jahrzehnten im Volksmund gebräuchlich. Er beschreibt, grob zusammengefasst, die Starrheit des (deutschen) Bildungssystems, welches unfähig scheint, sich weiterzuentwickeln und alte, selbsterschaffene Barrieren zu durchbrechen und hinter sich zu lassen.

Immer wieder entfachen Diskussionen darüber, ob das deutsche Bildungssystem eine Zukunft hat oder gar dringend reformiert werden muss. Die PISA-Studie ist vielleicht das prominenteste Barometer erlangten Schulwissens im internationalen Vergleich, wenngleich auch hier nicht alle Aspekte einer ganzheitlichen, schulischen Bildung mit einfließen. Besagte Studie zeichnet für Deutschland ein nicht gerade schmeichelhaftes Bild: selbst die Tagesschau titelt auf ihrer Internetseite in einem Artikel vom 05.12.2023 „Neue PISA-Studie – Deutsche Schüler schneiden so schlecht ab wie nie“.
Es ist nicht das erste Mal, daß unsere Schüler im Land bei dieser Studie schlecht wegkommen.
Dabei liegt es kaum an den Schülern selbst, denn dumm sind sie nicht. Es liegt vielmehr daran, daß die Art und Weise, wie die Schüler an den staatlichen Schulen unterrichtet werden und wie sie dort lernen bzw. lernen müssen.
Denn trotz all der Aufmerksamkeit, die die PISA-Studie international im Allgemeinen erzielt, basieren deren Ergebnisse auf die Abfrage von Wissen in definierten Feldern bzw. Fächern wie Mathematik, Sprachen, Naturwissenschaften etc. und beleuchten weniger die Methodik.
Wie allerdings schon etliche Forscher, Lehrer und auch Freigeister in der Vergangenheit feststellten und auch heute immer wieder feststellen, festigt sich Wissen nur bedingt durch Auswendiglernen der im Frontalunterricht vorgegebenen Sachverhalte. Hierbei kommt es sehr stark darauf an, wie Kinder lernen. Kinder sind instinktiv und von Natur aus neugierig. Sie haben den Drang, sich selbst mit unterschiedlichen Dingen zu beschäftigen, und zwar jedes ganz individuell und zu einem Zeitpunkt, der von Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein kann. So lernt vielleicht beispielsweise bereits ein 5-Jähriger das kleine Einmaleins oder die Addition von Zahlen, weil er sich dafür interessiert, während das 5-jährige Mädchen lieber schon beginnt, Buchstaben zu lernen. Oder eben andersrum.
Interesse steuert Wahrnehmung – das wissen selbst wir Erwachsenen, denn wenn man sich für etwas interessiert, lernt man viel leichter, als wenn es von irgendwoher vorgegeben wird.

Dieses Thema greifen freie Schulen auf und ermöglichen es Kindern, frei und größtenteils selbst zu bestimmen, wann sie lernen und was sie lernen wollen. Jede freie Schule variiert mit ihrem Konzept natürlich etwas und so wird Wissen z.B. anhand von Projekten vermittelt, in welchen die Kinder sich vieles selbst erarbeiten können oder müssen.
Dabei wird immer wieder ein Problem dargestellt oder ein Ergebnis gefordert – der Weg zur Lösung ist aber meistens frei von Vorgaben. So lernen die Kinder, Lösungen selbst zu erarbeiten und gleichzeitig im sozialen Umfeld, dem Team, zusammenzuarbeiten.    
Der Lehrer oder die Lehrerin nehmen dabei eher eine begleitende Rolle ein, weswegen bei freien Schulen auch gerne von „Lernbegleitern“ gesprochen wird, auch wenn diese Begleiter durchaus ein standardisiertes Staatsexamen für Lehrer vorweisen müssen.

Die natürliche Neugier der Schüler wird gefördert und gerne auch einmal scheinbar feststehende Grundsätze hinterfragt und diskutiert. So möchte man sicherstellen, daß Kinder in ihrem späteren Erwachsenenleben alle Dinge immer von verschiedenen Seiten betrachten und auch „um die Ecke“ denken können. Dadurch soll die Kreativität gefördert werden, denn Kluge Köpfe braucht das Land!   

Die vielseitigen, offenen Strukturen bedeuten aber nicht, daß der schulische Ablauf vollkommen unstrukturiert abläuft – er ist nur eben freier und lässt zu, daß sich die Schüler ohne Druck oder Zwang Wissen aneignen können.
So zum Beispiel können simple Rechenaufgaben in einen Ablauf eingebunden sein, in welchem auch Pflanzenkunde, Teamwork und Schreiben eine Rolle spielen. Meist sind die Schülerinnen und Schüler auch unterschiedlichen Alters und manchmal sind sogar mehrere Klassenstufen zusammen. Dadurch profitieren jüngere Kinder von den Erfahrungen und dem Wissen der Älteren.
Eine Benotung findet in der Regel keine statt, eher eine Einschätzung der Fähigkeiten eines Kindes. In diesen Prozess werden die Kinder oft sogar selbst eingebunden – dadurch möchte man einen negativen Wettbewerb unter den Schülern vermeiden, wenngleich dennoch ein gesundes Maß an Wettbewerb durchaus in den Schulalltag einfließt, durch spezielle und gezielt wettbewerbsorientierte Projekte oder Spiele. Durch ein Wegfallen der Noten vermeidet man auch, an Kindern immer die gleiche Messlatte anzulegen – jedes Kind ist schließlich unterschiedlich und eine Gleichbetrachtung ist zwar einfacher für den Lehrer, wird aber den unterschiedlichen Interessen und Begabungen der Kinder nicht gerecht. 

Oftmals ist auch ein Entrepreneurship (Unternehmertum) Teil des Konzepts einer freien Schule. So werden die Kinder, eingeflochten in das jeweilige Lernkonzept, bereits in jungen Jahren an dieses Thema herangeführt und lernen die Grundzüge daraus.
Alles in allem ist eine freie Schule an vielen Stellen also das genaue Gegenteil zu einer staatlichen Schule – mit gelegentlichen Überschneidungen. 

Ohne alle staatlichen Schulen über einen Kamm scheren zu wollen hat sich am stoischen Frontalunterricht an den allermeisten über die Jahre recht wenig geändert. Wenngleich engagierte Lehrerinnen und Lehrer durchaus auch bei diesem pädagogischen Konzept bewirken können, daß bei den Schülern etwas hängenbleibt, so kursiert doch immer häufiger der doch recht makabre Begriff „Lernbulimie“. Dieser suggeriert, daß die Schüler sich für abzuliefernde Klassenarbeiten den Stoff regelrecht „ins Gehirn pressen“, nur um ihn kurz danach, besagten Klassenarbeiten wegen, wieder „aufs Blatt spucken“ zu können – leider ist vieles davon danach schnell wieder vergessen.
Das habe ich selbst erlebt, denn wenn ich ehrlich darüber nachdenke, was unterm Strich bei mir nun knapp 40-Jährigen von der staatlichen Schule damals hängengeblieben ist, so muss ich leider gestehen: Da klafft in vielen Bereichen doch ein großes Loch…
Vielleicht wäre es wirklich an der Zeit, etwas gegen das „hölzerne Bildungswesen“ an staatlichen Schulen zu unternehmen und sich in einer gewissen Art und Weise an Reformen zu trauen. Kinder sind schließlich nicht nur umgangssprachlich unsere Zukunft, sondern tragen die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Gerade ihnen gegenüber sind wir doch verpflichtet, das bestmögliche Fundament für ihre Zukunft zu schaffen. Fähige Hände, die solche Reformen an Schulen umsetzen könnten, gäbe es. Nur die verantwortliche Politik scheint eine Notwendigkeit (immer noch nicht) nicht zu sehen. Traut man sich nicht an das Thema heran? Stehen andere Interessen einer Schulreform entgegen? Einige Kritiker staatlicher Schulen sind sogar der Meinung, daß die Politik und die verantwortlichen Ämter absichtlich keine Veränderung herbeiführen möchten, da Kinder, welche sich nicht zum Freidenker entwickeln dürfen, leichter im Staatsapparat zu kontrollieren seien. Dem entgegen steht die, zumindest offizielle, Würdigung freier Schulen und ihres Konzepts als Bereicherung seitens des Kultusministeriums.
Immerhin werden freie Schulen von den Regulierungsbehörden akzeptiert und dürfen geführt werden – auf staatliche Subventionen nach dem Gleichheitsprinzip brauchen freie Schulen in Deutschland aber in den ersten Jahren nicht hoffen. Diese sind erst ab dem 4. Jahr ihres Bestehens abrufbar.  
An dieser Stelle darf sich jeder eine eigene Meinung bilden. Fakt ist jedoch, daß der Ruf nach Veränderung an staatlichen Schulen immer lauter wird und selbst alteingesessene Verfechter immer mehr erkennen, daß eine generelle Veränderung durchaus erstrebenswert wäre. Manchmal bedarf es auch einfach Mut, um neue Wege zu beschreiten, die unseren Kindern letztendlich zugutekommen. 

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