Immunität im humanitären Völkerrecht

Was hat es damit auf sich und wer kommt dafür in Frage?

Bei der Immunität handelt es sich um ein rechtliches Privileg, das bestimmten Personen bspw. Staatsbediensteten zuerkannt und durch nationales und internationales Recht anerkannt wird und es ihnen ermöglicht, ihre Funktionen frei von äußeren Zwängen oder Druck, auch rechtlicher Art, auszuüben. Auf internationaler Ebene ist die Immunität ein Instrument, daß die Souveränität und Unabhängigkeit von Staaten schützt, indem es verhindert, daß sie oder ihre Vertreter vor ausländischen Gerichten belangt werden können. Personen, die Anspruch auf Immunität von der Gerichtsbarkeit haben, können sich so der Verfolgung durch nationale oder internationale Gerichte entziehen. Diese Immunität gilt vor allem für Diplomaten, Mitarbeiter der UN und Parlamentarier sowie für Regierungsmitglieder und Staats- oder Regierungschefs. Die Immunität ist im Völkergewohnheitsrecht und in mehreren internationalen Übereinkommen festgeschrieben.

Die Immunität ist nie absolut und beschränkt sich im Allgemeinen auf Handlungen, die in Ausübung eines offiziellen Amtes begangen werden, solange die Person diese offizielle Position innehat. Es ist allgemein anerkannt, daß es sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht zwei Arten von Immunität gibt:

  1. Funktionale Immunitäten, die an die Funktion gebunden sind, d.h. die bestimmte Tätigkeiten verschiedener Staatsbediensteter abdecken und die das Ende des Amtes überdauern.
  2. Persönliche Immunität, die an die Personen aufgrund ihrer Stellung geknüpft ist. Sie deckt alle Handlungen ab, die von denjenigen vorgenommen werden, die in den Genuss der Immunität kommen, und gilt, solange die betreffenden Personen im Amt sind.

Die Immunität kann im Falle schwerwiegender Verstöße durch die politischen oder juristischen Personen, die die verschiedenen offiziellen Funktionen kontrollieren, aufgehoben werden.

Bei der Strafverfolgung vor dem Internationalen Strafgerichtshof kann die Immunität aufgrund besonderer Bestimmungen seines Statuts nicht in Anspruch genommen werden, vgl. IStGH-Statuts Art. 27 (2). Die Immunität der Gerichtsbarkeit für den Staat und seine Vertreter bei der Strafverfolgung vor ausländischen Gerichten bleibt jedoch ein absoluter Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts. Dieser Grundsatz wurde in mehreren Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (kurz: IGH, engl. ICJ) anerkannt. Der IGH als Hauptrechtsprechungsorgan der UN erinnerte daran, daß diese Immunität nicht mit Straffreiheit gleichgesetzt werden kann, da es sich bei der Immunität um eine zeitlich begrenzte Verfahrensgarantie handelt. Die Immunität kann die Anwendung der strafrechtlichen Verantwortung aufschieben, aber nicht auslöschen, so die Rechtsprechung.

Die Verantwortung des Staates für rechtswidriges Verhalten unterscheidet sich von der strafrechtlichen Verantwortung und kann vor dem Internationalen Gerichtshof und einigen regionalen Gerichten geltend gemacht werden.

Entgegen einiger Missverständnisse genießen die Mitglieder humanitärer Organisationen und das Hilfspersonal als solche keine Immunität im engeren Sinne. Der Begriff der humanitären Immunität bezieht sich auf das im humanitären Völkerrecht vorgesehene Verbot vorsätzlicher Angriffe auf Zivilisten und medizinisches Personal in Konfliktzeiten. Vorsätzliche Angriffe auf solches Personal können ein Kriegsverbrechen darstellen, das nach internationalem oder nationalem Recht strafbar ist. Internationale Gerichtshöfe haben jedoch dem humanitären Personal eine teilweise Immunität bei der Zusammenarbeit in Strafverfahren gewährt. Sie haben eine Einschränkung der Zeugenpflicht akzeptiert, um die Sicherheit des humanitären Personals in Konfliktgebieten und die Fähigkeit der Hilfsorganisationen zu schützen, die Hilfe in Situationen bewaffneter Gewalt aufrechtzuerhalten. Diese Immunität wurde für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (kurz: ICRC) und für Berufe, die unter das Berufsgeheimnis fallen, in Vorschrift 73 der Verfahrensordnung und Beweisregeln des Internationalen Strafgerichtshofs (https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/Publications/Rules-of-Procedure-and-Evidence.pdf) offiziell anerkannt.

Es gibt keine internationalen Verträge, die speziell die Immunität von Staats- und Regierungschefs vorsehen. Auf internationaler Ebene ist die Immunität von Staatsoberhäuptern das Ergebnis eines Gewohnheitsrechts und ähnelt der diplomatischen Immunität. Dieser Brauch ist per definition immer anfällig für Änderungen, wie 1999 verschiedene Urteile der britischen und spanischen Justizbehörden im Fall des ehemaligen chilenischen Präsidenten Augusto Pinochet, die Anklage gegen den jugoslawischen Staatschef Slobodan Milosevic durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien oder die Anklage gegen den ehemaligen liberianischen Staatschef Charles Taylor durch den Sondergerichtshof für Sierra Leone im Mai 2004 bewiesen.

Andererseits sind in den nationalen Gesetzen der einzelnen Staaten oft eindeutige Regelungen zur Immunität und strafrechtlichen Verantwortung von Staatsoberhäuptern enthalten, die in der Regel in der Verfassung zu finden sind. Diese nationalen Bestimmungen haben jedoch keinen Vorrang vor dem Völkerrecht und können daher diese Personen nicht vor internationalen Gerichtsverfahren schützen, die gegen sie in Fällen eingeleitet werden, die sich auf die schwersten Verbrechen des Völkerrechts, wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Kriegsverbrechen und Folter, beschränken.

Im Falle solcher schweren Verbrechen sieht das Völkerrecht ausdrücklich vor, daß keine Immunität geltend gemacht werden kann, um eine Person vor der Justiz zu schützen.

Artikel 27 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs – der für Personen zuständig ist, die wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord angeklagt sind – legt fest, daß der Gerichtshof für alle Personen ohne Unterscheidung nach ihrer amtlichen Eigenschaft zuständig ist. Insbesondere entbindet die amtliche Eigenschaft als Staatsoberhaupt oder Regierungschef, als Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, als gewählter Abgeordneter oder als Regierungsbeamter in keinem Fall von der strafrechtlichen Verantwortung nach diesem Statut und stellt auch keinen Grund für eine Strafmilderung dar.

Dieser Artikel bestätigt die Grundsätze, die bereits in der Rechtsprechung des Nürnberger Tribunals und der Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda festgelegt wurden, und verleiht ihnen somit einen dauerhaften und verbindlichen Rechtsstatus. Darüber hinaus werden die Bestimmungen bestätigt, die bereits in mehreren spezifischen Konventionen vorgesehen sind, nämlich

  1. die Bestimmungen der Genfer Konventionen über Täter, die schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen haben.
  2. die Bestimmungen der Völkermordkonvention in Bezug auf die Urheber von Völkermordverbrechen.
  3. die Bestimmungen der Folterkonvention über die Bestrafung dieses spezifischen Verbrechens.

Bei bewaffneten Konflikten trägt das humanitäre Völkerrecht der Tatsache Rechnung, daß es inkohärent wäre, Einzelpersonen zur Verantwortung zu ziehen, wenn ihre Vorgesetzten und andere, die ihre offiziellen Funktionen ausüben, entlastet würden. Das humanitäre Völkerrecht betont daher die individuelle strafrechtliche Verantwortung von Vorgesetzten bei Kriegsverbrechen, es sei denn, sie können nachweisen, daß sie den Befehl nicht gegeben oder alle möglichen Maßnahmen ergriffen haben, um die Verstöße zu verhindern oder zu beenden. Das humanitäre Recht schreibt also die Pflicht vor, ungerechtfertigte Befehle zu missachten.

In einer sehr umstrittenen Entscheidung des IGH in der Angelegenheit der Demokratischen Republik Kongo gegen Belgien vom 14. Februar 2002, wurde entschieden, daß ein amtierender Außenminister im Ausland nach dem Völkergewohnheitsrecht volle Immunität vor der Strafgerichtsbarkeit und Unverletzlichkeit genießt. Er darf nicht verhaftet, strafrechtlich verfolgt oder von inländischen ausländischen Gerichten festgehalten werden, solange er im Amt ist. Diese Regel gilt unabhängig davon, ob sich der Außenminister zum Zeitpunkt der Festnahme auf einem „offiziellen“ oder einem „privaten“ Besuch im Hoheitsgebiet des festnehmenden Staates aufhält, unabhängig davon, ob sich die Festnahme auf Handlungen bezieht, die angeblich vor der Übernahme des Amtes des Außenministers begangen wurden, oder auf Handlungen, die während der Amtszeit begangen wurden, und unabhängig davon, ob sich die Festnahme auf angebliche Handlungen bezieht, die in „offizieller“ oder in „privater“ Eigenschaft begangen wurden. Diese Entscheidung scheint sich nur auf die universelle Zuständigkeit ausländischer nationaler Gerichte auszuwirken und gilt nicht für mögliche Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof. In einer Entscheidung vom Februar 2012 hat der Internationale Gerichtshof den Anwendungsbereich dieser Entscheidung präzisiert, indem er die Unterscheidung und das Verhältnis zwischen den strafrechtlichen Vorschriften und den Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Staates klarstellte (Gerichtliche Immunitäten des Staates in der Angelegenheit Deutschland gegen Italien: Griechenland als Streithelfer, IGH Urteil vom 03. Februar 2012) Deutschland gegen Italien; Griechenland als Streithelfer, IGH Urteil vom 3. Februar 2012).

Das Völkerrecht legt fest, daß sich bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Folter niemand auf seinen offiziellen Status berufen darf, um Immunität zu beanspruchen und so zu versuchen, sich der Justiz zu entziehen. Diese Bestimmung ist enthalten in

  1. dem Übereinkommen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Art. 4),
  2. dem Übereinkommen von 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,
  3. die Genfer Konventionen von 1949 (GA I Art. 49, GA II Art. 50, GA III Art. 129 und GA IV Art. 146)
  4. das Statut des Nürnberger Gerichtshofs (Art. 7),
  5. das Statut der Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda (Art. 7.2 des ITCY-Statuts, Art. 6.2 des ICTR-Statuts), und das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (Art. 27).

Diplomatische Immunität

Diese Form der Immunität ist im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verankert, das am 18. April 1961 angenommen wurde und 1964 in Kraft trat (im Juni 2015 zählte es 190 Vertragsstaaten).

Zu den Arten von Immunitäten, die Diplomaten schützen, gehören die folgenden:

  1. Immunität von jeder Form der Festnahme oder Inhaftierung (Art. 29):

Dies bedeutet, daß „die Person eines diplomatischen Vertreters unverletzlich ist“. Er oder sie kann nicht festgenommen oder inhaftiert werden.

  1. Immunität von der Gerichtsbarkeit oder von Gerichtsverfahren (Art. 31):

Ein Diplomat darf von keinem Gericht des Staates, in den er entsandt ist, verfolgt werden. Diese Garantie gilt unabhängig von der Schwere der vorgeworfenen Straftat – Verbrechen oder Vergehen – und unabhängig davon, ob die Handlungen in Ausübung des Amtes des Diplomaten begangen wurden oder nicht. In Artikel 31 ist ferner festgelegt, daß ein Diplomat nicht verpflichtet ist, als Zeuge auszusagen. Der Heimatstaat des Diplomaten kann jedoch die Immunität von der Gerichtsbarkeit aufheben.

Auch wenn der Grundsatz der Immunität heute angeblich nicht für die schwersten Verbrechen – Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord – gilt, unterstützt das Wiener Übereinkommen von 1961, wie auch das UN-Übereinkommen von 1946 diese Auffassung nicht und sieht vor, daß die Immunität allgemein gilt.

  1. Unverletzlichkeit der Wohnung und des Eigentums (Art. 30):

Diese Gegenstände genießen den gleichen Schutz wie die Räumlichkeiten der diplomatischen Mission. Durchsuchungen oder Beschlagnahmen in der Wohnung des Diplomaten sind verboten. Diese Unverletzlichkeit gilt auch für die Papiere, die Korrespondenz und das Eigentum des Diplomaten. Der Begriff „Eigentum“ umfasst verschiedene Elemente wie Gepäck, Auto, Gehalt usw.

Diese Vorrechte werden dem Diplomaten gewährt, wenn er beim Gaststaat akkreditiert ist, d.h. wenn der Name des Diplomaten in der Liste der registrierten Personen aufgeführt ist und somit vom Gaststaat tatsächlich als Diplomat betrachtet wird.

Immunitäten des Personals der Vereinten Nationen

Das Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten wurde von Generalversammlung der Vereinten Nationen am 13. Februar 1946 angenommen. Im Juni 2015 zählte es 161 Vertragsstaaten. Sein Ziel ist es, die Mitglieder des UN-Personals vor nationalem Druck zu schützen und den „ausschließlich internationalen Charakter“ ihrer Mission im Einklang mit Artikel 100 der UN-Charta zu gewährleisten.

Seine Bestimmungen gelten nur für Personen, die Beamte und Experten der Vereinten Nationen im engeren Sinne sind. Das Personal, das vor Ort für die humanitären Organisationen der Vereinten Nationen tätig ist, hat meist andere Arbeitsverträge und fällt daher nicht unter das Übereinkommen von 1946. Personen, die für Sonderorganisationen der Vereinten Nationen arbeiten, fallen unter eine besondere Schutzregelung, die im Übereinkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen geregelt ist, das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 21. November 1947 angenommen wurde und dem im Juni 127 Vertragsstaaten angehörten.

Das Übereinkommen von 1946 gewährt die folgenden Immunitäten:

  1. UN-Beamte genießen unter anderem Immunität von der Gerichtsbarkeit oder von Gerichtsverfahren, allerdings nur für Handlungen, die sie in ihrer amtlichen Eigenschaft begehen (Art. 5, Abschnitt 18). Sie genießen auch Immunität vor Verhaftung oder Festnahme, was jedoch im Übereinkommen von 1946 nicht vorgesehen war. Diese Lücke wurde durch das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen, einschließlich Diplomaten, geschlossen (angenommen am 14. Dezember 1973 und in Kraft getreten 1977; im Juni 2015 zählte es 178 Vertragsstaaten).
  2. UN-Experten genießen während der Dauer ihres Auftrags Immunität vor Festnahme und Inhaftierung sowie Immunität vor der Gerichtsbarkeit für Handlungen, die sie in Erfüllung ihres Auftrags vornehmen. Diese Immunität von der Gerichtsbarkeit besteht auch nach Beendigung der Mission fort (Art. 6, Abschnitt 22).
  3. Zusätzlich zu den in diesem Übereinkommen festgelegten Immunitäten und Vorrechten werden dem Generalsekretär und allen stellvertretenden Generalsekretären der Vereinten Nationen dieselben Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen gewährt, wie sie diplomatischen Gesandten im Einklang mit dem Völkerrecht gewährt werden (Art. 5, Abschnitt 19).

Immunitäten der Mitglieder von Friedenstruppen

Die für die Mitglieder der Friedenstruppen vorgesehenen Immunitäten hängen von ihrem Status ab, der durch das zwischen den Vereinten Nationen und dem Land, in dem der Einsatz stattfindet, unterzeichnete Abkommen bestimmt wird. Die Musterabkommen, die den Status der Friedenstruppen regeln, sehen mehrere verschiedene Regelungen vor:

  1. Der Sonderbeauftragte, der Kommandeur des militärischen Teils der friedenserhaltenden Operation, der Chef der Zivilpolizei und die hochrangigen Beamten, die mit dem Sonderbeauftragten und dem Kommandeur zusammenarbeiten, genießen volle diplomatische Immunität.
  2. Militärbeobachter, Mitglieder der UN-Zivilpolizei und zivile Bedienstete, die keine Beamten sind, genießen die für UN-Experten vorgesehenen Immunitäten
  3. das militärische Personal der nationalen Kontingente, die dem militärischen Teil der friedenserhaltenden Operation zugeteilt sind, genießt Immunität von der Gerichtsbarkeit für Handlungen, die sie in Ausübung ihrer Funktionen vornehmen. Diese Immunität bleibt auch dann bestehen, wenn sie nicht mehr an der Operation beteiligt sind.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist befugt, die Immunität eines jeden Beamten oder Sachverständigen aufzuheben. Er hat das Recht und die Pflicht, dies in jedem Fall zu tun, in dem die Immunität seiner Meinung nach den Lauf der Gerechtigkeit behindern würde und ohne Beeinträchtigung der Interessen der Vereinten Nationen aufgehoben werden kann. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (kurz: UNSC) hat das Recht, die Immunität des Generalsekretärs aufzuheben (Art. 5, Abschnitt 20, und Art. 6, Abschnitt 23 des Übereinkommens von 1946).

Dieser Punkt ist besonders wichtig, da das Militärpersonal bei zahlreichen friedenserhaltenden Operationen der doppelten Verantwortung der UNO und der eigenen nationalen Militärhierarchie unterliegt. Diese Situation macht es komplizierter zu bestimmen, welche Mechanismen zur Klärung ihrer Verantwortung in Fällen eingesetzt werden müssen, in denen Verbrechen gegen Personen begangen werden, die sie zu schützen hatten.

Jurisdiktionsimmunität von Staaten

Die gerichtliche Immunität von Staaten ist im Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität, das am 16. Mai 1972 vom Europarat in Basel angenommen wurde, und im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die gerichtliche Immunität von Staaten und deren Eigentum vom 22. Dezember 2004 geregelt. Diese Übereinkommen sehen vor, daß sich ein Vertragsstaat nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats in Verfahren berufen kann, die die Wiedergutmachung von Personen- oder Sachschäden zum Gegenstand haben, wenn der Sachverhalt, der den Schaden verursacht hat, im Hoheitsgebiet des Staates des angerufenen Gerichts eingetreten ist und wenn der Urheber des Schadens sich zum Zeitpunkt des Eintritts dieses Sachverhalts in diesem Hoheitsgebiet aufgehalten hat (Art. 11 des Europäischen Übereinkommens, Art. 12 des UN-Übereinkommens).

Das Europäische Übereinkommen sieht ferner vor, daß die Immunitäten und Vorrechte, die ein Vertragsstaat in Bezug auf Handlungen oder Unterlassungen seiner Streitkräfte im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats genießt, unberührt bleiben (Art. 31).

Die Anwendung dieser Übereinkommen ist jedoch begrenzt, da nur eine sehr geringe Anzahl von Staaten sie ratifiziert hat. Das Europäische Übereinkommen wurde bis Juni 2015 nur von acht Staaten ratifiziert: Österreich, Belgien, Zypern, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und die Schweiz. Außerdem ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Befreiungen von der Gerichtsbarkeit der Staaten und ihres Vermögens noch nicht in Kraft getreten, da es mindestens dreißig Ratifizierungen erfordert. Bis April 2013 wurde es erst von achtzehn Staaten ratifiziert: Österreich, Tschechische Republik, Frankreich, Finnland, Italien, Iran (Islamische Republik), Japan, Kasachstan, Lettland, Libanon, Liechtenstein, Norwegen, Portugal, Rumänien, Saudi-Arabien, Spanien, Schweden und die Schweiz.

Es gibt auch einen Entwurf für ein Interamerikanisches Übereinkommen über die Immunität der Staaten von der Gerichtsbarkeit, der vom Interamerikanischen Rechtsausschuss am 21. Januar 1983 angenommen wurde, aber nie in Kraft getreten ist.

Rechtssprechung

  1. über die Existenz der Immunität im internationalen Gewohnheitsrecht

Im Jahr 2000 bestätigte der IGH in der Rechtssache Demokratische Republik Kongo gegen Belgien das Bestehen der gerichtlichen Immunitäten für Staats- und Regierungschefs sowie für Außenministerien in ihrer Funktion. Der Gerichtshof bestätigte, daß diese Immunität nicht bedeutet, daß diese Personen Straffreiheit für Verbrechen genießen, die sie begangen haben könnten. Der IGH vertrat nämlich die Auffassung, daß die gerichtliche Immunität und die individuelle strafrechtliche Verantwortung zwei unterschiedliche Begriffe sind. Die gerichtliche Immunität ist dauerhaft und verhindert die Strafverfolgung nur für einen begrenzten Zeitraum. Außerdem kann sie nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof geltend gemacht werden.

In der Rechtssache zwischen Deutschland und Italien über die Frage der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus hat sich der Internationale Gerichtshof im Jahr 2012 erneut mit dieser Frage befasst. In diesem Fall stellte der IGH fest, daß das Völkergewohnheitsrecht die Anerkennung der Immunität von Staaten vorschreibt, deren Streitkräfte beschuldigt werden, während eines bewaffneten Konflikts schädliche Handlungen im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begangen zu haben. Er bekräftigte auch, daß die Immunität nicht von der Schwere der vorgeworfenen Handlungen abhängt (Abs. 78-93, 100-101). Der Gerichtshof erinnerte daran, daß die Völkerrechtskommission 1980 festgestellt hatte, daß die Regel der Staatenimmunität als allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts angenommen worden war, die in der gängigen Praxis der Staaten fest verankert ist. Der Gerichtshof stellte fest, daß „diese Schlussfolgerung durch die nationale Gesetzgebung und die gerichtlichen Entscheidungen bestätigt wird, … und daß es ein Recht auf Immunität nach dem Völkerrecht gibt, zusammen mit einer entsprechenden Verpflichtung anderer Staaten, diese Immunität zu respektieren und ihr Wirkung zu verleihen“ (§ 56). Der Gerichtshof bekräftigte, daß „das Recht der Immunität im Wesentlichen verfahrensrechtlicher Natur ist. Es regelt die Ausübung der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ein bestimmtes Verhalten und ist daher völlig verschieden vom materiellen Recht, das bestimmt, ob dieses Verhalten rechtmäßig oder unrechtmäßig ist“ (§ 58). Der Gerichtshof kam dann zu dem Schluss, daß „nach dem geltenden Völkergewohnheitsrecht einem Staat die Immunität nicht deshalb entzogen wird, weil er schwerer Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen oder das internationale Recht der bewaffneten Konflikte beschuldigt wird“ (§ 91). Außerdem wies der Gerichtshof darauf hin, daß „die Frage, ob ein Staat Anspruch auf Immunität vor den Gerichten eines anderen Staates hat, eine völlig andere ist als die Frage, ob dieser Staat international verantwortlich ist und ob er zur Wiedergutmachung verpflichtet ist“ (§ 100). Der Gerichtshof stellte fest, daß „die beiden Regelwerke unterschiedliche Fragen behandeln. Die Vorschriften über die Staatenimmunität sind verfahrensrechtlicher Art und beschränken sich auf die Frage, ob die Gerichte eines Staates ihre Zuständigkeit gegenüber einem anderen Staat ausüben können oder nicht. Sie berühren nicht die Frage, ob das Verhalten, wegen dem das Verfahren eingeleitet wurde, rechtmäßig oder rechtswidrig war“ (§ 93).

Mit dieser Entscheidung hat der IGH die Unterscheidung zwischen der strafrechtlichen Verantwortung des Einzelnen, für den der Internationale Strafgerichtshof die Immunität von Amts wegen aufgehoben hat, und der Verantwortung des Staates, insbesondere in Fragen der Entschädigung, wiederhergestellt.

  1. über die Immunität von Zeugenaussagen für humanitäres Personal und Journalisten

Grundsätzlich werden Immunitäten, die traditionell vor innerstaatlichen Gerichten zulässig sind, von internationalen Strafgerichtshöfen nicht anerkannt. Es besteht eine absolute Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit diesen Gerichtshöfen. Die internationalen Gerichtshöfe haben jedoch die Notwendigkeit anerkannt, die im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben von humanitären Organisationen und Kriegsberichterstattern während bewaffneter Konflikte zu schützen.

In der Rechtssache Simic vom 27. Juli 1999 entschied der IStGH für das ehemalige Jugoslawien, daß das IKRK (kurz für: Internationale Komitee vom Roten Kreuz) nach internationalem Gewohnheitsrecht ein absolutes Vorrecht auf Zurückhaltung seiner vertraulichen Informationen genießt (siehe Absätze 72-74). In der Entscheidung des ICTY wird festgestellt, daß:

1. das IKRK eine einzigartige Organisation und Institution mit internationaler Rechtspersönlichkeit ist

2. das Mandat des IKRK zum Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte gemäß den Genfer Konventionen, den Zusatzprotokollen und den Statuten der Bewegung ein „starkes öffentliches Interesse“ darstellt

3. die Fähigkeit des IKRK, dieses Mandat zu erfüllen, von der Bereitschaft der Kriegsparteien abhängt, dem IKRK Zugang zu den Opfern eines solchen Konflikts zu gewähren, und daß diese Bereitschaft wiederum davon abhängt, daß das IKRK an seinen Grundsätzen der Unparteilichkeit, Neutralität und Vertraulichkeit festhält

4. die Ratifizierung der Genfer Konventionen durch 194 Staaten, die Anerkennung der besonderen Rolle des IKRK in den internationalen Beziehungen durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen sowie die historische Praxis und die offiziellen Stellungnahmen der Staaten in Bezug auf die Vertraulichkeit des IKRK führen zu einer Regel des Völkergewohnheitsrechts, die dem IKRK ein absolutes Recht auf Geheimhaltung von Informationen über seine Arbeit gibt.

Das IKRK ist die einzige Organisation, der diese Immunität ausdrücklich gewährt wurde. Der Internationale Strafgerichtshof ist noch weiter gegangen und hat in seiner Verfahrens- und Beweisordnung (Vorschrift 73) ausdrücklich anerkannt, daß Informationen, die sich in den Händen des IKRK befinden, nicht offengelegt werden dürfen, auch nicht durch Zeugenaussagen. Der Teil von Vorschrift 73, der sich mit dem IKRK befasst, ist das Ergebnis eines Kompromisses. Das IKRK hatte sich für eine Regel mit absolutem Schutz ausgesprochen. Mehrere Staaten bestanden jedoch auf einer Regelung, nach der der Gerichtshof von Fall zu Fall entscheidet, welche IKRK-Informationen gegebenenfalls freigegeben werden sollten. Nach Vorschrift 73 ist das IKRK verpflichtet, den Gerichtshof zu konsultieren, wenn der Gerichtshof der Ansicht ist, daß die Informationen „für einen bestimmten Fall von großer Bedeutung“ sind. Das IKRK behält jedoch das letzte Wort über die Freigabe seiner Informationen. Diese Regel verbietet auch die Verwendung von Informationen, die im Rahmen von Tätigkeiten gewonnen wurden, die unter das Berufsgeheimnis fallen.

Seit 1999 wird darüber diskutiert, ob diese Ausnahme nur für das IKRK gedacht war oder ob sie analog auf andere humanitäre Organisationen ausgedehnt werden könnte, die in Konfliktgebieten tätig sind und über Situationen und Personen informieren, die von internationalen Gerichten untersucht werden. Dies wurde 2002 und später getan, um Kriegsberichterstatter und andere humanitäre Helfer einzubeziehen, vorausgesetzt, sie beantragen ein solches Privileg in konsequenter Weise und machen deutlich, daß die Offenlegung ihrer Quellen gegenüber den Justizbehörden ihre sehr professionelle Mission und ihre Präsenz in Konfliktgebieten sowie ihre Fähigkeit, mit an Gewalt beteiligten Führern und Gruppen zu diskutieren und zu verhandeln, nicht gefährdet.

In der Rechtssache Brdjanin & Talic (Entscheidung über eine Zwischenbeschwerde, IT-99-36-AR 73.9, 11. Dezember 2002, §§ 36, 38 und 50), besser bekannt als der „Randal Case“, befand die Berufungskammer des ICTY, daß Kriegsberichterstatter durch ihre Arbeit einem öffentlichen Interesse dienen und daß sie als unabhängige Beobachter und nicht als potenzielle Zeugen der Anklage betrachtet werden sollten. Dementsprechend gewährte das Gericht ihnen das Privileg, nicht vor dem Gericht auszusagen. Das Gericht entschied ferner, daß dieses Zeugnisverweigerungsrecht von den Richtern nur dann aufgehoben werden kann, wenn zwei kumulative Bedingungen erfüllt sind:

  1. Die gesuchten Informationen müßen „für den Fall von entscheidender Bedeutung“ sein, und
  2. sie können vernünftigerweise nicht auf anderem Wege beschafft werden“.

Dieses Urteil wurde inzwischen auch auf Vertreter humanitärer Nichtregierungsorganisationen (NRO) ausgedehnt, die durch humanitäre Hilfsmaßnahmen ebenfalls einem öffentlichen Interesse dienen.

Das Internationale Straftribunal und der ICC haben die Unvereinbarkeit zwischen humanitären Maßnahmen und gerichtlichen Zeugenaussagen anerkannt. Aus der Argumentation der Richter geht klar hervor, daß ein solches Privileg von Fall zu Fall beantragt werden muß und abgelehnt werden kann, wenn das Verhalten der Organisation oder der Person bereits auf die mit ihrem Beruf verbundene Vertraulichkeit verzichtet und die Informationen weithin offengelegt hat.

Bildquelle: UN, Redaktion

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